Wie intelligent können smarte Maschinen sein und woran werden sie scheitern?


Japanische Forscher entwickeln Androiden. Das sind Maschinen, die man kaum noch von Menschen unterscheiden kann – zumindest im Aussehen … doch wie steht es mit der Intelligenz?

Es gibt bereits eine Reihe von Feldern, auf denen Maschinen höhere Intelligenzleistungen vollbringen als Menschen. Wie weit kann das führen? Können smarte Maschinen in Zukunft die menschliche Intelligenz auf allen Gebieten übertreffen?

Was ist das intelligenteste Wesen auf Erden? Wer jetzt spontan antwortet: „Der Mensch natürlich“, sollte noch einmal kurz darüber nachdenken. Ist es wirklich ein Zeichen von Intelligenz, Kriege zu führen, wertvolle Rohstoffe zu vernichten, die Atmosphäre aufzuheizen, Tierarten auszurotten, den Regenwald abzuholzen und die Ozeane als Müllkippe zu missbrauchen? Ob wir Menschen es schaffen, 100 Millionen Jahre zu überleben wie die Ameisen, 200 oder 400 Millionen wie Krokodile und Haie oder gar 700 Millionen Jahre wie die Quallen, muss sich erst noch zeigen.

Intelligenz ist die Fähigkeit, neue Herausforderungen zu bewältigen und mit veränderten Bedingungen zurechtzukommen, heißt eine gängige Definition. Nun haben Ameisen, Krokodile, Haie und Quallen teils mehrfach Weltkatastrophen mit Massensterben überstanden – es sind zweifellos Überlebenskünstler, aber dennoch bezeichnet man sie im Allgemeinen nicht als intelligent, weil das einzelne Individuum keine kreativen Problemlösungsstrategien anwendet.

Sicherlich, in den meisten Disziplinen sind Tiere besser als Menschen: Gorillas sind stärker, Geparde können schneller rennen, und das sprichwörtliche Adlerauge kann aus tausend Meter Entfernung eine Maus erkennen. Doch nur der Mensch hat es geschafft, sich Hilfsmittel zu fertigen, die all seine Unzulänglichkeiten kompensieren: Kräne können ganze Häuser heben, Bohrmaschinen untertunneln das Gotthardmassiv, Raketen überwinden die Erdanziehung, Teleskope blicken Milliarden Lichtjahre tief ins All. Und seit einigen Jahren machen nun auch Maschinen mit „künstlicher Intelligenz“ Furore… ist es dann vielleicht sogar denkbar, dass Menschen smarte Maschinen entwickeln, die in Zukunft unsere eigene Intelligenz übertreffen?

Intelligenz ist mehr, als der IQ misst
Um diese Frage beantworten zu können, muss man erst einmal klären, von welcher Intelligenz die Rede sein soll. Denn Fachleute sprechen von mathematischer, räumlicher, sprachlicher, logischer, emotionaler oder sozialer Intelligenz – was die Rechengeschwindigkeit betrifft, haben Computer schon lange die Menschen hinter sich gelassen, und auch auf dem Gebiet der Logik sind Algorithmen kaum zu schlagen. Bereits vor 60 Jahren entstanden beispielsweise Computerprogramme, die eigenständig Dutzende von logischen Theoremen mathematisch beweisen konnten.

Ganz anders sah es hingegen auf den Feldern aus, die Menschen scheinbar mühelos beherrschen: etwa Sprache zu verstehen, in Bildern sofort wesentliche Inhalte zu erkennen, Handschriften zu entziffern oder Gemütszustände von Mitmenschen aus deren Gesichtern zu lesen. Bis vor kurzem galt es fast als Dogma: Alles, was sich gut in Regeln gießen lasse, könne man auch in Software packen und damit Maschinen konstruieren, die den Menschen an Präzision und Zuverlässigkeit übertreffen. Alles andere aber bleibe die Domäne des Menschen, hieß es. Doch genau dieses Dogma beginnt nun zu fallen – mit atemberaubender Geschwindigkeit!

Maschinen, die wie Kleinkinder lernen
Smarte Maschinen lernen gerade lesen und schreiben, sprechen und zuhören, Bilder erkennen und Gesichtsausdrücke analysieren… und sie lernen vor allem selbstständig zu lernen, durch Beobachten und Nachahmen und auch durch Belohnungen. Die Entwicklung verläuft dabei ähnlich wie bei Kleinkindern, denn auch Menschen müssen ihre kognitiven Fähigkeiten erst nach und nach erwerben. In den ersten beiden Lebensjahren entsteht zunächst die sensomotorische Intelligenz: Babys lernen krabbeln, stehen, laufen, nach Dingen greifen und ihre Bewegungsabläufe koordinieren. In den Jahren danach entwickeln sich sowohl das Sprechvermögen wie die symbolische Vorstellungskraft und die Fähigkeit zur Empathie. Zugleich lernen die Kinder immer besser, vorauszudenken und ihr Handeln zu planen, doch erst mit elf oder zwölf Jahren sind die Jugendlichen in der Lage, Probleme systematisch zu analysieren, Hypothesen und kreative Lösungen zu entwickeln und über sich selbst nachzudenken.

Einen ähnlichen Weg gehen nun die Maschinen. Sensomotorische Intelligenz haben die besten Roboter schon entwickelt: Sie können einigermaßen sicher stehen, laufen und Dinge aller Art greifen, ohne sie zu beschädigen. Der vierbeinige Roboter Cheetah von Boston Dynamics rennt schneller als Usain Bolt, der menschliche Weltmeister über die 100- und 200-Meter-Distanz – und es gibt bereits feinfühlige Roboter, die weiche Erdbeeren pflücken, ohne Druckstellen zu hinterlassen. Auch das Sprach-, Text- und Bildverständnis smarter Maschinen wird immer besser: Siri, Alexa, Cortana, Google Assistant, und wie die virtuellen Assistenten alle heißen, lernen derzeit mit rasanter Geschwindigkeit, Fragen und Befehle von Menschen zu verstehen.

Leistungsfähiger als der Mensch
Das System Watson von IBM kann natürlich-sprachige Texte analysieren, ob sie nun aus der Wikipedia stammen oder aus medizinischer Fachliteratur, aus Börsen- und Unternehmensnachrichten oder aus Berichten von Autowerkstätten. Die beste Software zur Verkehrszeichen-Erkennung erreicht schon eine Sicherheit von über 99,5 Prozent. Sie macht damit nur noch halb so viele Fehler wie durchschnittliche menschliche Vergleichspersonen. Bei Google Street View gelang es, in Millionen von Bildern automatisch die Hausnummern zu finden und zu lesen, auch wenn sie verdreht oder gekippt oder in ungewöhnlichen Schriften geschrieben waren – und das in weniger als zwei Stunden. Ein menschliches Team hätte dafür mehrere Jahre gebraucht.

Im Frühjahr 2016 besiegte die Software AlphaGo von Google DeepMind den weltbesten Go-Spieler mit 4 : 1, was insofern bemerkenswert war, als dass hier – anders als bei Schach – reine Rechenkraft nicht ausreicht: Auf einem Go-Brett gibt es weit mehr Spielkombinationen als Atome im Universum. Es ist schlicht unmöglich, die verschiedenen Züge durchzurechnen. Go-Experten attestierten der Software sogar hohe kreative Fähigkeiten, da sie erfolgreich Züge spielte, die man von Menschen noch nie gesehen hatte. Und selbst auf ureigensten menschlichen Gebieten sind smarte Maschinen inzwischen sehr leistungsfähig: So ist die beste Software zur Emotionserkennung heute in der Lage, grundlegende Gefühle wie Wut, Trauer, Freude oder Überraschung aus Gesichtern zu lesen – und zwar besser, als es viele Menschen können.

Vorbild der Maschinen: das menschliche Gehirn
Was steckt hinter all diesen Erfolgen? Wie können Maschinen heute etwas schaffen, das noch vor wenigen Jahren undenkbar schien? Die Erklärung liegt in den sogenannten Deep-Learning-Netzwerken und der Verfügbarkeit immenser Datenmengen. Deep Learning ist die Fortführung der Software-Technologie der Neuronalen Netze aus den 1980er-Jahren. Die einzelnen Netzknoten, die Neuronen, sind dabei wie im menschlichen Gehirn in Schichten hintereinander angeordnet und stark miteinander verknüpft. Dabei kann das Gewicht jeder einzelnen Verbindung infolge von Lernprozessen stärker oder schwächer eingestellt werden – was ebenfalls analog zu den Vorgängen im Gehirn ist.

Gelernt wird in so einem Netz durch Rückkopplung: Werden der ersten Schicht viele Bilder von Häusern vorgelegt, dann sollte der Output der letzten Schicht, also das, was das Netzwerk erkannt hat, „Haus“ lauten. Ist dies nicht der Fall, dann werden die Gewichte der neuronalen Verbindungen Schicht für Schicht mathematisch so modifiziert, dass das Ergebnis beim nächsten Versuch immer besser zum gewünschten Resultat passt. Die Schichten funktionieren dabei so, dass sie je-weils unterschiedliche Strukturen und Muster erkennen, also beispielsweise Ecken und Kanten, schräge Linien oder runde Formen. Je weiter oben man sich in der Schichtpyramide befindet, desto spezieller werden die Erkennungsmerkmale.

Dieses Prinzip funktioniert für Häuser genauso wie für Bäume, Katzen oder Autos. Und nicht nur für visuelle Reize, sondern auch für Töne, für Sprache, für Musik, für Texte, für Gerüche, für Tasteindrücke und vieles mehr – Deep-Learning-Systeme sind sehr mächtige Werkzeuge der Mustererkennung. Und zudem millionenfach leistungsfähiger als die Neuronalen Netze der 80er- und 90er-Jahre. Umfassten die damals maximal ein paar Tausend Knoten und einige wenige Schichten, so sind es heute bei den besten Deep-Learning-Systemen Milliarden von künstlichen Neuronen, die in bis zu 30 Schichten gestapelt sind.

Vertausendfachung der Rechenleistung binnen 25 Jahren
Möglich machte diesen Fortschritt natürlich die enorme Steigerung der Rechenleistung und der Speicherfähigkeit von Computern. So leistet heute ein gutes Smartphone mit 100 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde ebenso viel wie der weltbeste Supercomputer von 1995 – und in den nächsten 25 Jahren wird noch einmal eine Vertausendfachung der Rechenleistung erwartet. Außerdem werden Deep-Learning-Verfahren immer besser, je mehr Daten ihnen als Lernbeispiele zur Verfügung stehen. Davon gibt es im Internet inzwischen mehr als genug: Billionen von Wörtern in Texten und viele Milliarden Bilder, Videos und Audiodateien. Auch dieser Wachstumstrend ist ungebrochen: Jeden Tag werden allein bei YouTube eine halbe Million Stunden an Videomaterial neu eingestellt.

So lernte die erwähnte Software zur Emotionserkennung an Millionen von Videosequenzen, und auch das Programm zur Verkehrszeichen-Erkennung lernte anhand unzähliger Bildvorlagen. Das Lernen geht dabei im Wesentlichen vollautomatisch. Menschen werden nur noch gebraucht, um den Maschinen zu zeigen, wie Vorfahrtsschilder aussehen oder ob ein Muster an gefundenen Gesichtsausdrücken nun Wut oder Freude darstellt. Dies unterscheidet sich nicht sonderlich davon, wie kleine Kinder lernen, wenn die Mutter ihnen sagt, dass das Tier, das durch den Garten streicht, „Katze“ heißt … und dass der mächtige Löwe im Bilderbuch ebenfalls eine Katze ist.
Kleine Kinder lernen auch durch Beobachten und Nachahmen. Auf ganz ähnliche Weise bringt man den gerade auf den Markt kommenden „kollaborativen Robotern“ in Fabriken bei, wie sie mit Menschen zusammenarbeiten sollen – so führt man beispielsweise ihre Arme und Greifer, um ihnen zu zeigen, wie sie Knöpfe drücken oder Bauteile montieren sollen. Und selbst das Belohnungslernen findet schon Eingang in die Welt der smarten Maschinen: Natürlich bekommen sie nicht wie Kinder Schokolade oder gute Noten, sondern ihnen genügt ein internes Punktekonto, das aufgefüllt wird, wenn sie etwas richtig gemacht haben.

Wie belohnt man Maschinen?
Auf diese Weise hat Google DeepMind nicht nur AlphaGo entwickelt, sondern auch ein Computersystem, das sich ganz eigenständig klassische Atari-Spiele wie Space Invaders, Breakout oder Autorennen beibrachte – und zwar ohne dass es die Regeln dieser Spiele kannte, nur über die Belohnung der erreichbaren Punkte. Der Computer hat einfach die Spiele so lange gespielt und seine Strategien variiert, bis er die Punktzahl maximieren konnte. Demnächst soll dieses Prinzip auch auf Strategiespiele wie Starcraft II angewendet werden, die mit ihren begrenzten Sichtfeldern, Echtzeitinformationen und der Notwendigkeit von langfristigen Planungen einer Realwelt schon recht nahe kommen.

Das ultimative Ziel der Forscher ist klar: Roboter und smarte Maschinen aller Art sollen einmal in der Lage sein, Menschen auch in komplexen, sich ständig ändernden Umgebungen zu helfen – wie perfekte Butler. Ob beim Aufräumen oder Putzen zu Hause, beim Kochen oder Einkaufen oder beim Autofahren im Stadtverkehr. Dass sie dafür noch sehr viel lernen müssen, ist klar, doch einen Vorteil haben sie: Was eine Maschine einmal gelernt hat, kann sie im Prinzip in Zukunft in ein RoboNet hochladen und anderen Maschinen ähnlichen Bautyps zur Verfügung stellen – egal, ob es darum geht, wie man Fenster putzt, einen Dinnertisch deckt oder einen Hubschrauber fliegt. Menschen hingegen müssen alles individuell lernen und können sich neue Fähigkeiten nicht einfach wie Apps herunterladen.

Woran maschinelle Intelligenz scheitert
Auf lange Sicht können Maschinen daher eine hohe Vielfalt an intelligenten Verhaltensweisen erwerben, doch zwei Beschränkungen werden für sie nur sehr schwer zu überwinden sein: Wir Menschen besitzen eine Menge an implizitem Wissen, an Alltagskompetenz und gesundem Menschenverstand, um in unserer Umgebung zurechtzukommen. Zwei Beispiele: Beim Satz „Die Beamten haben den Demonstranten verboten, sich zu versammeln, weil sie Gewalt befürworteten“ erkennt ein Mensch sofort, worauf sich das „sie“ bezieht. Ein Computer tut sich hier sehr schwer, ebenso wie ein autonomes Fahrzeug wohl bremsen würde, wenn der Wind eine große Papiertüte auf die Straße weht – ein Mensch würde einfach weiterfahren.

Maschinen können ein solches Alltagswissen nur dann erwerben, wenn sie über lange Zeit hinweg Menschen im Alltag begleiten, beobachten und ständig hinzulernen. Forschungsprojekte hierzu gibt es erst in Ansätzen, ebenso wie auf dem Feld der kreativen Maschinen: Computerprogramme können heute zwar Stile kopieren und neu kombinieren, also beispielsweise malen wie van Gogh oder Rembrandt und komponieren wie Bach, aber etwas völlig Neues hat bisher keine Maschine hervorgebracht.

Ein weiteres Problem ist sogar noch viel fundamentalerer Art: Maschinen, wie ausgeklügelt sie auch sein mögen, haben keinen biologischen Körper wie Menschen. Sie werden daher nie alle Erfahrungen mit Menschen teilen können: Sie müssen nicht essen und trinken, schlafen und träumen, sie wachsen nicht und bekommen keine Kinder und sie kennen den Sturm der Gefühle nicht, die Menschen ergreifen können. Daher sei die Vorhersage gewagt: Selbst wenn smarte Maschinen Emotionen aus Gesten und Mimik lesen und wenn sie so tun, als ob sie Gefühle hätten, eine den Menschen vergleichbare emotionale und soziale Intelligenz wird ihnen verwehrt bleiben.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Online-Magazin PC Welt.

Mehr dazu auch im TEDxMünchen-Video „Smarte Maschinen – Diener oder Dämonen“.

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